Heavylift / Breakbulk

  • Der Offshore-Energiebereich, einer der wichtigsten Märkte für Projektladung.

06.05.2013 Von: Antje Veregge


Artikel Nummer: 1728

Wohin geht die Reise?

Im Vergleich zu anderen Bereichen in der Handelsschifffahrt wie beispielsweise dem Containergeschäft oder dem Massengutsektor besetzt der Transport von Schwergut und Projektladung eine relativ kleine Nische. Schwierige Marktbedingungen machen jedoch auch dieser Branche zu schaffen. Derzeit beschäftigt die Akteure vor allem eine Frage: Ist der Tiefpunkt endlich erreicht?


Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hatte unmittelbare Auswirkungen auf den Transport von Schwergut und Projektladung. Viele Unternehmen passten sich der sinkenden Nachfrage in den verschiedensten Bereichen in weiten Teilen der Welt an und legten Projekt- oder Expansionspläne erst einmal zur Seite. Die Finanzierungsbereitschaft von Banken für Grossprojekte reduzierte sich im gleichen Zusammenhang drastisch. Die Schwergutbranche kämpft bis heute mit den Folgen (siehe auch das Interview mit Tomas Dyrbye, Geschäftsführer von Hansa Heavy Lift in dieser Ausgabe, S. 38-41). Obwohl die weltweite Flotte recht überschaubar ist, konkurrieren die Akteure stark um vorhandene Ladung.

 

Konkurrenz aus anderen Bereichen

Die Situation im Container- und Massengutbereich ist bekanntlich keineswegs besser. Die Folge ist, dass in diesen Märkten aktive Reeder seit einiger Zeit verstärkt daran arbeiten, mit ihren Schiffen auch Ladung für das Projektgeschäft zu transportieren. Im Verhältnis ist dieser Bereich oftmals immer noch lukrativer.

Susan Oatway, Autorin des regelmässig erscheinenden Reports für den Markt für Mehrzweckschiffe vom britischen Analysten Drewry, erklärt: «Die Konkurrenz aus dem Containerbereich wird durch die düsteren Bedingungen in diesem Markt zunehmend aggressiver. Immer mehr Containerlinien vermarkten ihre Schiffe auch für Projekt-Ladung.»

 

Ein Blick in die Zukunft

Zwischen 2007 und 2008 erlebte der Schwergutsektor ein Hoch. Als Resultat bestellten viele Reeder neue Mehrzweck-Schwergutfrachter, die die Bauwerften innerhalb der vergangenen Jahre ablieferten. Nach Angaben von Drewry belief sich die weltweite Mehrzweck-Flotte im vergangenen Januar auf insgesamt 3189 Schiffe mit einer Gesamttragfähigkeit von 28,6 Mio. DWT.

Davon sind nach Angaben des Analysten jedoch lediglich 852 Frachter in der Lage, Projektladung zu transportieren. Um unter Drewrys Definition eines Mehrzweck-Schwergutfrachters zu fallen, müssen diese Schiffe über bordeigene Krane mit einer Hebekraft von mindestens 100 t verfügen. Schiffe, die über Krane verfügen, die mehr als 250 t heben können, nennt Drewry Premium-Mehrzweck-Schwergutfrachter. Die Gesamtflotte der beiden Kategorien bringt zusammen ca. 11 Mio. DWT in den Markt ein.

«Im Vergleich zu anderen Schiffstypen steigt die Gesamtflotte der Mehrzweck-Stückgutfrachter sehr moderat, nämlich um durchschnittlich lediglich 0,8% pro Jahr bis 2016», so Oatway. Innerhalb dieser Gruppe wird Drewrys Berechnung zufolge die Anzahl der reinen Schwergutfrachter jedoch um durchschnittlich 4% pro Jahr zunehmen. Die Entwicklung der Nachfrage für Tonnage im gesamten Segment der Mehrzweck-Stückgutfrachter in diesem Zeitraum berechnet Drewry ebenfalls mit einem Anstieg um 4%. «Diese Zunahme wird aber voraussichtlich nicht in diesem Jahr erfolgen», verdeutlicht Oatway, «es ist vielmehr wahrscheinlicher, dass wir erst gegen Ende des kommenden Jahres oder zu Beginn von 2015 eine Verbesserung sehen.»

 

Schnäppchenjagd

Einen Strich durch diese Rechnung könnten jedoch jene Reeder machen, die aufgrund der momentan extrem niedrigen Preise für Neubauten auf grosse Einkaufstour gehen. «Der Schwergutbereich ist derzeit in Hinblick auf Tonnage eigentlich befriedigt. Aufgrund der verhältnismässig günstigen Preise für Neubauten, besonders in Hinblick auf chinesische Werften, haben allerdings bereits diverse Reeder neue Schiffe bestellt», gibt Guenther Bielfeld, Chief Commercial Officer Asia Pacific F.H. Bertling Pte Ltd, zu bedenken. Aus diesem Grund sind viele Kenner der Branche besorgt, dass dem Markt eine ähnliche Entwicklung bevorstehen könnte, wie es beispielsweise bei Schiffen für den Transport von Flüssiggas geschehen ist. Nach einem vielversprechenden Start hat sich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage durch ein grosses Volumen an Neuanlieferungen stark verändert.

Neben der schieren Anzahl der Neubestellungen ist ausserdem ihr Design eine der Fragen, die die Branche momentan besonders beschäftigt. Während in anderen Bereichen die Spezifikationen der Ladung in der Regel zumindest grundsätzlich vor dem Schiffsbau bekannt sind, ist dies im Projektgeschäft nicht der Fall. Darüber hinaus differieren die Ladungsmasse in den meisten Fällen zudem unter Umständen stark von Verschiffung zu Verschiffung. Ein sehr enger Dialog mit Spediteuren und anderen an der Lieferkette beteiligten Personen ist aus diesem Grund besonders wichtig. Zudem bezieht man sich stark auf die Auswertung von Verschiffungen aus vergangenen Jahren. Unter Berücksichtigung von extremen Massen in der Vergangenheit will man so auf die Anforderungen der Zukunft schliessen.

 

Grösser und schwerer

Der Grossteil der Mehrzweck-Schwergutschiffe, die derzeit auf den Weltmeeren unterwegs sind, weisen nach Angaben von Henrik Pedersen, Vizepräsident des Schifffahrtsunternehmens Clipper in Singapur entweder eine Tragfähigkeit zwischen 5000 und 20 000 t oder von 20 000 bis 30 000 t auf. Die Hebefähigkeit der bordeigenen Krane liegt dabei bei den kleineren Einheiten zumeist zwischen ca. 100 bis 500 t, während die Krane der grösseren Schiffe im Tandembetrieb sogar Ladung mit einem Gewicht von bis zu 2000 t heben können. Und diese werden in Zukunft immer stärker gefragt sein. Der Trend in Hinblick auf Ladung im Schwergutbereich geht ganz eindeutig zu immer grösseren und schwereren Einheiten.

Hintergrund ist eine Veränderung der weltweiten Lieferketten. Für Unternehmen kann es aufgrund von Rationalisierungsmassnahmen zunehmend vorteilhaft sein, ihre Produktionsstätten zusammen zu legen. Anstatt Teile an verschiedenen Orten der Welt zu fabrizieren und wiederum an anderer Stelle zusammenzubauen, findet dieser Prozess zunehmend an einem Ort statt, von wo aus anschliessend eine umfangreichere Einheit zur Projektstelle transportiert wird. «Das Projektgeschäft wandelt sich konstant», erklärt Bielfeld, «In den 1990er Jahren entstand beispielsweise mit dem Boom in der Windkraftanlagen-Industrie ein vollkommen neuer Markt für Schwergut-Ladung als Teil von Projekten.» Als Konsequenz passten viele Reedereien bei ihren Neubauten den Platz an Deck an die Länge der Windmühlenblätter an.

 

Verlagerung von Produktionsregionen

Aber nicht nur die Ladung selbst verändert sich, sondern auch die Regionen, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. Als traditionell wichtige Märkte für den Export von Schwergutladung gelten Nord- und Südostasien, das europäische Festland, die USA sowie der Mittelmeerraum. Auf Import-Seite sind insbesondere Länder rund um den Persischen Golf, Indien, Südostasien, West- und Ostafrika, Australien, an der Ostküste Südamerikas sowie die USA wichtige Märkte. In Bezug auf letztgenannte könnte nun jedoch eine tiefgreifende Veränderung bevorstehen: «Die derzeitige Entdeckung von Schiefergas in den Vereinigten Staaten könnte dazu führen, dass das Land künftig auch zunehmend Schwergutladung importiert. Bislang ist das Land ja hauptsächlich Exporteur diverser Produkte in diesem Bereich», so Bielfeld.

Eine andere grosse Veränderung spielt sich zudem derzeit im Arktischen Meer statt. Durch die Öffnung der Nord-Polar-Route in Norden Russlands können mittlerweile Schiffe mit 3-facher Eisbrecherklasse LNG-Projekte in Sibirien erschliessen. Und auch Veränderungen auf politischer Ebene haben einen grossen Einfluss: Während im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins ein regelrechter Projektboom entstand, verzichtet eine Vielzahl von Reedereien und Speditionen unter Berücksichtigung ihrer Beziehungen mit amerikanischen Kunden und aufgrund internationale Sanktionen darauf, beim Nachbarn Iran Projektbaustellen zu bedienen oder das Land auch nur für den Transit anzulaufen. Ein besonders hohes Mass an Wachstums-Potenzial gibt es nach Einschätzung von Bielfeld derzeit insbesondere im Mittleren Osten, Australien, Südostasien, Afrika und in Lateinamerika, insbesondere aber in Brasilien und Mozambique. «Aber sicherlich muss man auch den derzeitigen Regierungswechsel in Venezuela genauestens verfolgen», fügt der Schwergut-Experte hinzu.

 

Neue Herausforderungen

Die Entwicklungen im Schwergutsektor bleiben folglich spannend. Im gleichen Zuge verändern sich jedoch auch die Anforderungen an Transportdienstleister in diesem Bereich und werden immer anspruchsvoller. «Vor allem Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie gehen derzeit immer stärker dazu über, vor der Auftragsvergabe ein immer höheres Mass an Qualifikationen von uns zu verlangen», führt Bielfeld aus. Insbesondere das Management von Compliance, Qualität, Arbeitssicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutzanforderungen sowie im Personalbereich entwickle sich für Transportdienstleister im Schwergutbereich zu einem immer wichtigeren Aspekt, so der Projekt-Spezialist.

Auch in Bezug auf Personal stehen viele Reeder und andere am Transport beteiligte Unternehmen häufig vor grossen Schwierigkeiten. Gut qualifiziertes Personal für die anspruchsvolle Abwicklung von Projektladung ist in den meisten Regionen nicht einfach zu finden, was durch die zunehmende Praxis vieler Reeder, auch in entfernteren Regionen der Welt eigene Büros zu eröffnen, noch verstärkt wird.

 

Blick in die Kristallkugel

Die momentanen Marktbedingungen sind für viele Reeder bereits heute nur schwer tragbar, vielerorts operieren Unternehmen vor allem aufgrund niedriger Raten nicht kostendeckend. Bis Ende des laufenden Jahres wird sich an dieser Situation aber wahrscheinlich nichts ändern. Es könnte vielmehr noch schlimmer kommen: «Aufgrund der harten Konkurrenz um Ladung von Reedern aus dem Container- und Massengutbereich gehe ich davon aus, dass sich die Situation im Schwergut- und Projektgeschäft in den kommenden Monaten noch verschärfen wird, bevor sie sich mittelfristig durch eine Erholung in der Containerschifffahrt wieder entspannt», erklärt Oatway. Die Entwicklung der weltweiten Wirtschaft spielt in diesen Zusammengang natürlich eine Hauptrolle. Erste Zeichen einer positiveren Entwicklung in der «alten Welt» deuten sich in diesem Zusammenhang derzeit insbesondere in den USA an. Eines scheint jedoch sicher: Es liegt vor allem auch an den Reedern selbst, der momentanen Versuchung von verhältnismässig niedrigen Preisen für Neubauten zu widerstehen und den Markt nicht mit Tonnage zu überschwemmen.

         

www.drewry.co.uk

 

www.bertling.com

 

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