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  • Sicherheitsstandards wie bei ULD wurden weltweit implementiert.

15.07.2014 Von: Andreas Haug


Artikel Nummer: 6835

Die Business Class für Fracht

Im Gegensatz zu manchen Flugpassagieren gilt: «Fracht motzt nicht, Fracht k... nicht». Doch das Flugzeug ist verglichen mit anderen Verkehrsträgern recht anspruchsvoll – ein Strategiegespräch mit Glyn Hughes kurz nach dessen Amtsantritt (vgl. ITJ Daily vom 11.6.).


Herr Hughes, herzlichen Glückwunsch zur neuen Stelle! Wie kamen Sie dazu?

Danke. Ich war sehr geehrt, als man mich damit beauftragte, die grossartige Arbeit meines Vorgängers Des Vertannes fortzusetzen, der sich unermüdlich dafür eingesetzt hat, die Luftfrachtindustrie voranzubringen. Ich selbst begann in der Frachtabteilung von British Caledonian. Als diese mit British Airways fusionierte, ging ich zu Air Europe. Damals war ich auf Finanzen, Ausbildung und Standardisierung spezialisiert. 1991 kam ich zur Iata, um mit Colin Stevenson, dem dort für das Vereinigte Königreich zuständigen Frachtmanager, einem grossen Kollegen, mit dem zu arbeiten ich das Glück hatte, CASS UK zu lancieren.

 

Sie sind also schon eine ganze Weile gestaltend in der Luftfracht tätig. Wie hat sich die Branche in der Zeit verändert?

Interessanterweise haben sich manche Bereiche unseres Gewerbes kaum verändert; das grundlegende Geschäftsmodell und die operativen Elemente bestehen fast so wie Mitte der 1980er-Jahre, als ich in die Branche kam.

 

Neu sind jedoch die Verfügbarkeit und die Vielschichtigkeit der entwickelten Technologien, auch wenn wir sie noch nicht effizient miteinander verknüpft haben. Dann hat sich die Beziehung zu den Spediteuren von den frühen Agenturtagen zum heutigen Verhältnis zwischen Kunde und Dienstleister gewandelt. Die Zahl der spezialisierten Supply-Chain-Lösungen hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls stark vergrössert, und wir haben nun Produkte, die einen besonderen Wert auf die Qualität, Pünktlichkeit und bestimmte Temperaturen legen und Verladern so auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebote machen.

 

Wo sehen Sie die aktuell grössten Herausforderungen für die Luftfracht?

Die Verlader haben eine immer grössere Auswahl unter den Verkehrsträgern, und wir müssen sicherstellen, dass die Luftfracht ihren Bedürfnissen entspricht. Dafür muss sie ihre Stellung als Premium-Modus für Güter rechtfertigen, indem sie ihre Qualitätsstandards hochfährt, ihre Zuverlässigkeit und Transparenz verbessert sowie die Transportzeit verkürzt.

 

Welches «heisse Eisen» möchten Sie zuerst anfassen?

E-Cargo steht immer noch ganz oben auf der Agenda. Wir machen gute Fortschritte mit der Übernahme des elektronischen Frachtbriefs, aber sind immer noch ein weites Stück entfernt von dem für Ende dieses Jahres gesetzten Ziel einer Durchdringung der Industrie in Höhe von 22%.

 

Die andere Priorität ist die Modernisierung des Agenturprogramms. Wir arbeiten hart mit unserem Partner Fiata, um ein neues Programm zu entwerfen, das die Leistungen aller Teilnehmer verbessert. Unser Ziel ist, die Gespräche abzuschliessen und Anfang 2015 Pilotimplementierungen vorzunehmen.

 

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern der Global Air Cargo Advisory Group (Gacag) vor?

Ich bin sehr stolz über die Rolle, die dieses Gremium innerhalb der Branche spielt, und die Iata unterstützt die Gacag und ihre Vorstellungen voll und ganz. Die Zusammenarbeit zwischen den Gacag-Mitgliedern ist sehr eng, und ich möchte besonders die Tiaca für ihre Führungsrolle hervorheben. Ich denke, es ist an der Zeit, dass andere Partner, inklusive Iata, in Zukunft mehr Aufgaben übernehmen.

 

Wie sehen Sie die Luftfracht im Verhältnis zu den anderen Verkehrsträgern?

Die Wahl der Verkehrsmittel ist wie erwähnt eine harte Realität, und wir haben schon beobachtet, dass manche Waren wie Halbleiter wegen der Kosten von der Luft auf die See oder die Schiene gefallen sind. Auch niedrige Zinsen nehmen den Druck von finanziellen Drohungen bei Überschreiten der Lieferzeit. Aber wir betreten einen neuen Konjunkturzyklus und die Luftfracht verbessert ihren Wertbeitrag, weshalb ich zuversichtlich bin, dass sich die Branche behaupten kann.

 

Bitte beschreiben Sie die Lage der Luftfracht in den einzelnen Weltregionen und die jeweils kurzfristigen Aussichten!

Das Frachtwachstum unterscheidet sich stark von Region zu Region. Es ist keine Überraschung, dass der Mittlere Osten in den letzten Jahren ganz brillant auftrat, und so sollte es weitergehen. Denn die Fluggesellschaften vom Golf haben ganz besonders vom Ost–West-Handel zwischen entwickelten Volkswirtschaften profitiert, aber auch neue Handelsrouten Richtung Süden erschlossen.

 

Lateinamerika und Afrika haben eine holprige Fahrt hinter sich, bergen aber ein starkes Wachstumspotenzial. Besonders Lateinamerika ist stark gewachsen, hängt aber sehr von den grossen Ländern wie Brasilien und Argentinien ab, die zuletzt etwas geschwächelt haben.

 

Die reifen Märkte in Europa und Nordamerika erholen sich immer noch schleppend von den Folgen der schrecklichen Rezession 2008/2009. Nachdem das Pendel 2010 stark zurückgeschlagen hatte, hat sich das Volumenwachstum seitdem nivelliert, was die allgemeine Schwäche dieser Volkswirtschaften widerspiegelt. Aber die Anzeichen für ein stärkeres Wachstum sind vorhanden.

 

Der asiatisch-pazifische Raum schliesslich bleibt der mit Abstand grösste Markt, und die Fracht trägt stark zur finanziellen Gesundheit vieler Fluglinien der Region bei. Glücklicherweise scheint die Besorgnis, dass China eine harte Landung haben würde, zu schwinden – das ist eine sehr gute Nachricht und verheisst ein stärkeres Wachstum für den Rest des Jahres.

 

Die Iata hat ihren Sitz in Montréal und eine Geschäftsstelle in Genf. Ist sie da nicht sehr fern der Zukunftsmärkte?

Im Gegenteil! Durch unsere fünf Regionalbüros in Amman, Beijing, Madrid, Miami und Singapur sind wir in jeder Region präsent. Seit Juli 2013 sind wir zudem nach dem Grundsatz «globale Entwicklung, regionale Ausführung» organisiert, wodurch unsere Büros besser auf die Bedürfnisse der Branche eingehen können. Wir können unterstützend wirken, wann immer es erforderlich ist.

 

Die Iata feiert dieses Jahr 100 Jahre Zivilluftfahrt (www.flying100years.com). Die Luftfracht hat ihr Jubiläum schon vor vier Jahren gefeiert. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Passage die Luftfracht überholt hat. Wann wird es so einfach sein, für die Fracht globale Standards wie in der Passage zu setzen?

Im Rahmen des Jubiläums spielt die Luftfracht eine grosse Rolle. Ihr Anteil am Funktionieren der modernen Welt ist unstrittig, und eine unserer wichtigsten Aufgaben besteht darin, die Menschen, insbesondere die politischen Entscheidungsträger, an diese Tatsache zu erinnern. Dies ist zentrales Thema unserer Kampagne über den «Wert der Luftfracht».

 

Was die globalen Standards betrifft, so gibt es davon schon eine ganze Reihe, z.B. die Gefahrgutvorschriften. Iata arbeitet eng mit Icao zusammen, damit Standards gewährleistet, entwickelt und umgesetzt werden, wo immer es praktikabel ist. Also bin ich nicht einverstanden zu sagen, dass die Fracht überholt wurde, auch wenn wir künftig gerne eine noch stärkere Harmonisierung sehen würden.

 

Und wo steht die Luftfracht in sehr ferner Zukunft, sagen wir in 75 Jahren?

Es ist sehr schwer, so weit vorauszublikken... Meine Arbeit besteht darin, sicherzustellen, dass die Branche in diesem Jahrzehnt und darüber hinaus fit und wettbewerbsfähig ist. Einer Sache bin ich mir sicher, nämlich dass es immer einen Bedarf für Luftfracht geben wird. Selbst wenn wir im nächsten Jahrhundert unzweifelhaft grosse Fortschritte in Technologien wie dem 3D-Druck erleben, so wird es doch immer einige wichtige Güter geben, die den Luftweg nehmen müssen. Und ich glaube, dass die Luftfracht gegenüber den anderen Transportträgern wettbewerbsfähig sein kann, so dass sie ihren Platz als Premium-Verkehrsmittel behält. Soll etwas schnell, sicher und zuverlässig irgendwohin transportiert werden, dann wird die Luftfracht immer die erste Wahl in der Welt sein.       

 

 

 

 

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