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  • Die Geschäftsführerin von Bolloré in Nigeria.

Von: Kerstin Kloss


Artikel Nummer: 37211

Ostafrika als Modell

Auch auf dem grossen Kontinent Afrika gehen die Uhren nicht überall gleich. So sagte es auch Folashade Akanni-Shelle, Geschäftsführerin von Bolloré Transport & Logistics in Nigeria, nach der einige ostafrikanische Ländern Vorbildcharakter für die eigene Heimat haben. Über die Risiken, aber auch die gewaltigen Möglichkeiten für die Logistik in Nigeria, sprach sie mit ITJ-Korrespondentin Kerstin Kloss.


 

 

«Ich mag es, Veränderungen voranzutreiben», sagt Folashade Akanni-Shelle. Die gebürtige Nigerianerin trat deswegen nach ihrem Jura-Studium in Grossbritannien in die Bolloré-Gruppe ein und will heute mit End-to-End-Logistiklösungen  ihre Heimat, die grösste Volkswirtschaft Afrikas, mit nach vorne bringen. Seit Oktober 2020 ist sie als Geschäftsführerin bei Bolloré Transport & Logistics Nigeria für 526 Mitarbeitende an vier Standorten verantwortlich: in der Wirtschaftsmetropole Lagos, im Öl- und Gaszentrum Port Hartcourt, in Onitsha im Osten des Landes und in der Hauptstadt Abuja. Bei einem Land von 900 000 km2 Fläche mit mehr als 200 Mio. Menschen, vielen Möglichkeiten für Wachstum und natürlichen Ressourcen hält Akanni-Shelle fest: «All das macht Nigeria sehr interessant – aber es kann auch ein kompliziertes Land sein.»

 

Auch Experten von Germany Trade & Invest sprachen im Februar 2021 von einem «der weltweit grössten und noch unterversorgten Konsumgütermärkte», was sich auch am wachsenden E-Commerce in Nigeria zeigt. Das Fulfillment dominieren einheimische Player wie Kwik Express. «Alles, was man braucht, ist ein Fahrrad, eine Transportbox sowie ein Schild –schon kann man loslegen», sagt Akanni-Shelle.

 

 

Ausbaubedarf der Infrastruktur

Momentan liegt der Fokus der zielstrebigen Managerin aber darauf, das B2B-Geschäft für internationale Kunden in den Bereichen See- und Luftfracht sowie Projektlogistik trotz aller Widrigkeiten im Land auszubauen. Anders als in Europa ist die grösste Herausforderung die Infrastruktur. Stromausfälle gehören zum Alltag, hier sieht Akanni-Shelle den dringendsten Handlungsbedarf. Aber auch Strassennetz und Eisenbahninfrastruktur müssen entwickelt und ausgebaut werden, mit besserem Zugang zu abgelegenen Gebieten. Zwar modernisiert die Regierung bestehende Bahnlinien, baut Strecken zweigleisig aus und plant im Norden, Kano anzubinden. Doch Akanni-Shelle unterstreicht: «Selbst wenn das fertig ist, gibt es immer noch viel zu tun.»

 

 

In schwierigen Gewässern

Nigeria verfügt durch die Flüsse Niger und Benue auch über ein verzweigtes Wasserstrassennetz. Aber das Potenzial bleibt aus Sicht von Akanni-Shelle weitgehend ungenutzt, weil wie bei der Schiene in erster Linie die Logistik in Lagos profitiere. «Wasserwege könnten das Strassennetz entlasten», meint sie. Bolloré besitzt selbst ein Binnenschiff, um zwischen verschiedenen Terminals in Lagos schneller vorwärts zu kommen. Etwa zwischen dem Containerhafen Apapa und dem Tincan Island Container Terminal, den ein Konsortium von Bolloré Ports, China Merchants Holding International und dem China Africa Development Fund betreibt. Das nutzen Kunden aus der Automobilindustrie oder Lebensmittel- und Getränkewirtschaft.

 

Trotzdem bezeichnet Wolfgang Busch, Africa Business Development Director bei Bolloré Logistics in Frankfurt, die Seefracht in Nigeria als «absolute Hölle». «Container bleiben bis zu 40 Tage im Hafen liegen, weil die Zufahrtsstrassen in einem absolut desolaten Zustand sind, wartende Lkw die Zu- und Abfahrten verstopfen oder die Krane kaputt sind», berichtet Busch. Dadurch entstehen Zusatzkosten für Container-Demurrage und -Detention sowie Port Storage. In der Regenzeit schiessen die Preise für Hinterlandtransporte oft zusätzlich in die Höhe: «Für einen TEU fallen dann fast 2000 USD für eine Strecke von weniger als 100 km an.»

 


Modell Ostafrika

Akanni-Shelle war jahrelang für Bolloré als General Manager in Uganda und Tansania. Im Vergleich findet sie: «Von Ostafrika kann Nigeria eine Menge lernen.» Die Logistik in der anderen Region sei entwickelter: «Das Schienensystem funktioniert, ebenso das Binnenschifffahrtssystem. Ausserdem wird viel in die Stras-seninfrastruktur investiert.»

 

Auch in Nigeria hofft Akanni-Shelle auf einen Seefracht-Turbo durch öffentlich-private Partnerschaften. Ein Beispiel ist der geplante Mehrzweckhafen Ibom Deep Sea Port (IDSP) im Osten des Landes, den ein Konsortium von Bolloré Ports, der Power China International Group, Nigerias Bundesregierung sowie dem Bundesstaat Akwa Ibom finanzieren will. Ende 2023 soll der IDSP mit einer Kapazität von mehr als 2,24 Mio. TEU starten, vorher womöglich der Tiefwasserhafen Lekki bei Lagos. Beim Joint-Venture Lekki Port LFTZ Enterprise Limited engagieren sich ausser einer Investorengruppe unter Führung der Lekki Port Investment Holdings (China Harbour Engineering Company und Tolaram Group aus Singapur) auch der Bundesstaat Lagos und die Nigerian Ports Authority.

 

«Logistik ist eine Branche, in der man das herausbekommt, was man hineinsteckt», sagt Akanni-Shelle. Vielleicht lässt sich dadurch der Abwärtstrend beim Logistics Performance Index der Weltbank umkehren. Dort rutschte Nigeria von Platz 90 (von 160) in 2016 auf Rang 110 in 2018 ab. Immerhin entwickelte sich Nigeria laut jüngstem Emerging Markets Logistics Index von Agility von allen afrikanischen Ländern am besten. Akanni-Shelle ist jedenfalls ungeduldig: «Ich mag es, zeitnahe Ergebnisse zu erzielen.»