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Von: Marco Wölfli


Artikel Nummer: 29315

Binnenschifffahrt: Zu oft fehlte die Handbreit Wasser unter dem Kiel

Alle wollen mehr Güter aufs Binnenschiff verlagern, doch die Pläne harzen. Der Verkehrsträger kämpft mit Niedrigwasser und dem Rückgang von Schüttgut. Jedoch gibt es in der Benelux-Region auch Hoffnungsschimmer.


 

 

Im Mai präsentierte der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer den Masterplan Binnenschifffahrt. Damit will Deutschland dem Güterverkehr auf den Wasserstrassen Schub verleihen und mehr Fracht von Lkw auf Schiffe verlagern. Der Jahresbericht der europäischen Binnenschifffahrt zeigt nun, dass es tatsächlich einen grossen Effort braucht, um dem lange vernachlässigten Verkehrsträger wieder mehr Volumen zuzuführen. Dabei ist das Engagement von Deutschland durchaus wichtig, andere Länder stehen aber genauso in der Pflicht.

 


Containertransporte ­machen Hoffnung

Eine Schwierigkeit, die die Binnenschifffahrt im Jahr 2018 prägte, war die lange Niedrigwasserperiode in der zweiten Jahreshälfte. Besonders betroffen war der Rhein, weniger gravierend war die Situation in Belgien, Frankreich, Norddeutschland und auf der Donau. Dies wirkte sich logischerweise auch auf die Verkehrsleistung aus. Im Vergleich zum 2017 konnten nur gerade Belgien, Luxemburg und Polen die Verkehre steigern, alle anderen Länder verzeichneten Rückgänge. Besonders schwerwiegend ist für die Binnenschifffahrt, dass die wichtigsten Länder Deutschland und die Niederlande auch die grössten Minusse aufweisen. Weil Schüttgut und chemische Erzeugnisse tendenziell weniger transportiert werden, muss die Binnenschifffahrt vermehrt Containertransporte für sich gewinnen. Diese Entwicklung gelingt zwar, allerdings noch viel zu langsam. Der tiefe Wasserstand sorgte dafür, dass die Containertransporte   auf den Wasserstrassen der EU bei 6,8 Mio. TEU stagnierten. Wobei sich dieses Segment nahezu vollumfänglich auf Deutschland, Niederlande, Belgien und Frankreich verteilt. Von diesem Quartett resultierte einzig in Belgien ein kleines Plus. Die dortige Binnenschifffahrt ist weniger auf den Rhein angewiesen, und es gelang auch den Modal-Split-Anteil für den Containertransport deutlich zu erhöhen.

 

 

Paris und Lüttich legen zu

Die Seehäfen Rotterdam, Antwerpen und Hamburg spielen auch für Binnenschiffe eine wichtige Rolle. Der allgemeine Rückgang im 2018 machte sich auch dort bemerkbar. Allerdings gab es in den Vorjahren in Rotterdam Stagnation und in Antwerpen Wachstum – in Hamburg setzte sich ein Volumenrückgang fort, der seit 2015 anhält. Wie praktisch alle Rheinhäfen gingen die Verkehre auch in Duisburg, im grössten Binnenhafen, zurück. Dagegen wuchsen die Nummern zwei (Paris) und drei (Lüttich) und stärkten ihre Positionen.

 

Ein Problem der Binnenschifffahrt ist, dass die Flotten vielerorts veraltet sind. Wegen der langen Lebensdauer eines Schiffs, müssen Investitionen langfristig getätigt werden. Im letzten Jahr waren rund 15 000 Schiffe in Europa registriert. Auf dem Rhein, wo fast zwei Drittel unterwegs sind, wurden 48 neue Schiffe eingewassert. Die Anzahl der Schiffe nimmt kontinuierlich und langsam ab, jedoch wächst die Kapazität, weil viele kleinere Schiffe verschwinden. Beim Vergleich der Altersstruktur der Flotten zeigt sich, dass Belgien Deutschland bei der Modernisierung einen Schritt voraus ist. Der kleine Nachbar verfügt über deutlich mehr Schiffe, die im 21. Jahrhundert gebaut worden sind. In Deutschland dominieren die Schiffe, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Betrieb genommen wurden. Will Deutschland den Masterplan Binnenschifffahrt auch in die Praxis umsetzen, ist ein Blick in die Nachbarstaaten sicher eine gute Idee.