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  • Markus Peschl doziert an der Universität Wien.

12.06.2019 Von: Marco Wölfli


Artikel Nummer: 28027

Innovationen an der Wurzel

Die Logistik-Branche kommt ohne Innovation nicht aus. Wie mit den Veränderungen umgehen und vor allem wie an Innovationen herangehen, das ist die Frage, die Logistiker umtreibt. Professor Markus Peschl lehrt an der der Universität Wien Innovationsforschung und Kognitionswissenschaften und berät Unternehmen. ITJ-Korrespondent Josef Müller traf ihn in Wien.


Sie sind Informatiker, Psychologe und Wirtschaftsphilosoph und beschäftigen sich damit, wie das Neue in die Welt kommt. Worauf muss sich die Gesellschaft einstellen?

In den vergangenen Jahren ist so viel neues Wissen in die Welt gekommen, und dieses Mehr an Wissen ist eine gute Voraussetzung für Innovationen in Organisationen und Gesellschaften. Vor 10 bis 15 Jahren befand sich die Gesellschaft noch in einem halbwegs stabilen Zustand. Sie folgte einer Richtung und einer Vision. Das hat sich allerdings radikal geändert. Um es philosophisch zu sagen: Es hat sich der Relativismus durchgesetzt. Alles spielt sich in grossen Dimensionen ab, es gibt keine Regeln mehr und weniger Verbindlichkeit. Es geht nur mehr um Geld verdienen und eine kapitalistische Monokultur. Der Kapitalismus tritt heute mehr denn je ausbeuterisch in Erscheinung. Nehmen wir als Beispiel die Logistik-Branche. Wie Amazon und andere Logistiker operieren, ist, brutal gesprochen, eine moderne Form der Sklaverei. Das führt zu einer Erosion von Ethik.

 

 

Digitalisierung, Automatisierung und Robotik sind die Themen der Gegenwart. Wie verändern diese Technologien die Arbeitswelt?

Alles was automatisierbar ist, wird in Zukunft auch automatisiert werden. Das liegt auf der Hand und ist wirtschaftlich gesehen auch verständlich. Die Frage ist aber, was machen wir mit dem frei­werdenden Arbeitskräftepotenzial. Einfache Jobs werden bald verloren gehen und Menschen mit geringerer Qualifikation stehen auf dem Arbeitsmarkt. Wer zu wenig Ausbildung hat, bleibt auf der Strecke. Das heisst, es muss in diese Richtung investiert werden. Den Menschen bilden und zu dem machen, was ihn ausmacht, nämlich ein geistiges Wesen zu sein, das autonom kreativ und gestaltend agiert. Denn Kreativität wird sich so bald nicht automatisieren lassen.

 

 

Was ist eine radikale Innovation?

Eine radikale Innovation ist eine Form von Innovation, die Dinge an der Wurzel verändert. Radikale Innovation steht im Gegensatz zur inkrementellen Innovation. In diesem Fall werden Prozesse, Produkte oder eine Dienstleistung optimiert. Die Sache an sich bleibt die gleiche, es gibt keine fundamentale Änderung.

 

Bei der radikalen Innovation hingegen muss man an der Wurzel ansetzen. Schauen Sie die Themen Internet der Dinge, 3D-Druck und Logistik gemeinsam an. Wenn Sie den Blick auf dieses Dreieck werfen, könnte es für die Logistik eng werden, weil 3D-Druck (fast) keinen Transport mehr bedingt. Die Frage daher: Was bedeutet Logistik in diesem gedachten Dreieck? Was passiert, wenn ich das Geschäftsmodell verändere? Radikal verändern birgt natürlich ein hohes Risiko in sich, weil sich nicht voraussagen lässt, wie erfolgreich das Produkt sein wird.

 

 

Wie sollten Unternehmen an radikale Innovationen herangehen, um das Risiko möglichst im Griff zu haben?

Radikal innovieren heisst, in einem Öko-System denken. Zum Beispiel: Ich bin ein Logistikdienstleister und bin ein kleines Glied in der Kette. Wenn ich etwas verändere, kann ich Schiffbruch erleiden, weil andere nichts verändern. Wie sieht die Umgebung aus, in der ich agiere, und wie weit kann ich gehen?

 

In dieses Unbekannte muss ich hinein innovieren. Es geht um Potenziale ausloten und verstehen. Was passiert, wenn sich 3D-Druck und Künstliche Intelligenz, weiterentwickeln, aber ich als Logistiker die Potenziale zwar sehe, aber noch nicht ganz verstehe. In die Zukunft denken heisst, Dinge erkennen, obwohl sie noch nicht klar sichtbar sind. Wer eine Logistik-Firma leitet, sollte ein gutes Verständnis für die Zukunft auch jenseits der eigenen Branche entwickeln, und kann dann erkennen, wohin der Weg geht.

 

 

Was raten Sie Logistik-Managern auf dem Weg in die Zukunft?

Es stehen im ökonomischen und technologischen Bereich gravierende Veränderungen bevor, die Unternehmen nicht allein bewältigen können.

 

Sie sollten alle Partner miteinbeziehen, wenn sie Veränderung als Chance begreifen wollen. Es braucht Empathie und die Bereitschaft, sich auf die Zukunft einzulassen, und den Willen, sie proaktiv zu gestalten.

 

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