
Premiumstrategisch durch globale Unsicherheiten
Im Gespräch mit Alain Chisari, Head of Swiss WorldCargo. Seit Oktober 2024 verantwortet Alain Chisari als Head of Swiss WorldCargo das Luftfrachtgeschäft der Schweizer Lufthansa-Tochter (vgl. ITJ Daily, 30/09/2024). Dem ITJ gegenüber schilderte der ehemalige Passage-Manager auf der Air Cargo Europe im Juni, wie er den Bereich neu ausrichtet – mit Fokus auf Premiumsegmente, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Herr Chisari, nach über 20 Jahren im Passagierbereich sind Sie im Oktober 2024 zur Swiss WorldCargo gewechselt. Wie waren Ihre ersten Monate in der Luftfracht?
Es ist eine andere Welt – im besten Sinne. Die Cargo-Branche ist sehr gemeinschaftlich und ich schätze den engen Kontakt zu Kunden und Partnern. Während der Pandemie hat die Fracht zudem stark an Sichtbarkeit gewonnen. Heute haben wir feste Termine mit der Geschäftsleitung und unsere Performance wird viel aktiver nachgefragt.
Wie ist das Geschäft im Jahr 2025 bisher für Swiss WorldCargo verlaufen?
Sehr gut. Politische und wirtschaftliche Veränderungen, wie etwa die von Präsident Trump angekündigten US-Zölle und ihre zeitweise Aussetzung, führen zuweilen zu unsicheren und instabilen Verhältnissen. Nichtsdestotrotz sind wir relativ unabhängig von globalen Schwankungen der Frachtvolumina dank unserer Positionierung in der Nische für hochwertige, zeitkritische und sensible Güter.
Wie definieren Sie diese Nische?
Unser Fokus liegt auf Premium-Sendungen – etwa Pharma, Valoren, Halbleiter und andere sensible Güter. Kunden erwarten hier Schweizer Qualität und Verlässlichkeit. Unser Hub in Zürich ist kompakt, effizient und spielt eine zentrale Rolle. Wir arbeiten eng mit unserem Lagerpartner zusammen, um eine reibungslose Abwicklung zu gewährleisten.
Sie sprachen das Streckennetz an. Gab es zuletzt neue oder geplante Erweiterungen?
Ja. Letztes Jahr haben wir Toronto, Washington D.C. und Seoul aufgenommen, Die koreanische Hauptstadt ist besonders wichtig für die Fracht. Wir wachsen auch über unsere Schwestergesellschaft Edelweiss, mit Zielen wie Tampa, Vancouver und Seattle. Diese ergänzen das Streckennetz der SWISS und schaffen neue Frachtoptionen.
Und Ihre Wunschliste?
Definitiv Indien und China. Das sind trotz geopolitischer Komplexität weiterhin zentrale Märkte. In Indien fliegt SWISS derzeit Delhi und Mumbai an – hier gibt es noch Ausbaupotenzial.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit in der Lufthansa-Gruppe?
Swiss WorldCargo folgt einem Contribution-Modell bei SWISS: Wir bewerten eine Strecke anhand des Passagierertrags plus Frachtanteil. Lufthansa Cargo vermarktet hingegen die Belly-Kapazitäten anderer Gruppengesellschaften zusätzlich zu ihren eigenen Frachtmaschinen. Wir agieren marktseitig etwas anders und nutzen vor allem die Agilität und Qualität unseres Hubs in Zürich.
Wie steht es um die Digitalisierung?
Wir sind an Buchungsplattformen angeschlossen und werden im Laufe dieses Jahres unser zentrales System modernisieren. Dadurch wird die Produktverfügbarkeit automatisiert und besser online nutzbar. Digitalisierung und KI werden zentrale Rollen spielen – etwa im Pricing, Forecasting und in der Kundenansprache. Persönlicher Service bleibt aber ein wesentlicher Bestandteil, was weiterhin unserer Premium-Positionierung entspricht.
Wie positioniert sich Swiss WorldCargo beim allumfassenden Thema Nachhaltigkeit?
Wir haben in den letzten Jahren viel aufgebaut. Als erste Airline haben wir beispielsweise «Direct Air Capture» zusammen mit dem Schweizer Unternehmen Climeworks zur CO₂-Kompensation angeboten. Zusätzlich sind wir am Synhelion «Sun-to-Liquid»-SAF-Projekt der SWISS beteiligt. Zudem veranstalten wir vierteljährlich Webinare für die Branche. Nachhaltigkeit braucht Austausch und Zusammenarbeit.
«Politische Steuerung und fiskalische Anreize»
Sind Swiss WorldCargo-Kunden bereit, für nachhaltige Lösungen zu bezahlen?
Es entwickelt sich. Viele schätzen unser Engagement und suchen das Gespräch. Für eine breitere Umsetzung braucht es aber wohl politische Steuerung oder fiskalische Anreize.
Welche Swiss WorldCargo-Produktsegmente verzeichnen das stärkste Wachstum?
Pharma ist weiterhin sehr stark – insbesondere dank neuer Biotech-Produkte. Auch Valoren wie Gold und Silber nehmen zu. Und im Technologiesektor – etwa bei Halbleitern – sehen wir ebenfalls Wachstum, da hier Schnelligkeit entscheidend ist.
Die Sicherheitsanforderungen steigen weltweit. Wie gehen Sie damit um?
Das ist einer der komplexesten Bereiche in der Luftfracht. Neue Regulierungen kommen oft sehr kurzfristig und müssen sofort umgesetzt werden. Das stellt die gesamte Branche vor grosse Herausforderungen.
Was sind Ihre wesentlichsten Prioritäten in den kommenden Monaten?
Unsere Nischenpositionierung weiter schärfen, das Netzwerk der SWISS aktiv begleiten, und die Digitalisierung konsequent vorantreiben. Mit den neuen Airbus A350 gewinnen wir Wachstumspotenzial und zusätzliche Belly-Kapazitäten. Nachhaltigkeit wird auch wieder stärker in den Fokus rücken.
Wo steht Swiss WorldCargo in zwei Jahren, wenn wir uns voraussichtlich an selber Stelle wieder sprechen?
Die Digitalisierung wird unsere Vertriebs- und Distributionswege stark verändert haben – und direktere Anbindungen an Spediteure und womöglich auch Verlader bieten. Nachhaltigkeit wird immer mehr an Bedeutung gewonnen haben. Unsere Premium-Positionierung wird noch deutlicher sein, mit einem stärkeren und stabileren Netzwerk, und wer weiss, vielleicht wird es sogar ausgebaut.