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Artikel Nummer: 48702

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Zur Vielfalt des Bestandsmanagements in Supply Chains aus aktueller Perspektive.   «Pläne sind wertlos. Planung ist alles.» Dwight D. Eisenhower (1890–1969), General und 34. US-Präsident


 

Die Zeiten massiver Lieferengpässe, nicht nur von Mikrochips, sondern auch in vielen anderen Produkt- und Sortimentsbereichen, gehören noch nicht lange der Vergangenheit an. Der Ruf, Bestände wieder aufzubauen – temporär fast um jeden Preis – erfolgte damals schnell und laut. Schlanke Anlieferkonzepte wie Just-in-Time, Just-in-Sequence oder Warehouse-on-Wheels («Lager auf Rädern») gerieten wie über Nacht in Verruf, denn ihnen wurde eine Mit-Schuld an Versorgungs-abrissen und den weltweit gestörten Lieferketten gegeben.

 

Doch was folgte im Anschluss? Bereits im Abklingen der Krise stellte sich der seit mehr als 50 Jahren bekannte Bullwhip-Effekt ein: stark schwankende, überhöhte, oft verspätete Liefermengen und folglich viel zu hohe Bestände, die von den Märkten nicht mehr aufgenommen werden konnten. Es wurden vielmehr vielerorts Projekte zum Bestandsabbau initiiert.

 

Dieses illustrative Auf und Ab der letzten drei bis vier Jahre zeigt, dass Bestände in vielen Branchen und Unternehmen wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren, aus welcher Perspektive auch immer. Zunächst lohnt ein Blick in die Vergangenheit, denn bereits in den 1990er Jahren stellte der Kern des Bestandsmanagements einen Bestandteil von Logistikkonzepten dar. Damals bildeten beispielsweise Fragen rund um die Wahl geeigneter Bestellverfahren, die Anzahl von bestandsgeführten Lagerhäusern in Distributionssystemen oder die organisatorische Zuständigkeit rund um Bestände in der Beschaffung, Produktion und Distribution einen Schwerpunkt. In vielen Unternehmen wurde die neue Position eines Bestands-managers geschaffen, die als Querschnittsfunktion einen weitreichenden Einfluss auch auf das Umlaufvermögen und damit die Wirtschaftlichkeit des Betriebs hatte.

 

Mit dem Aufkommen des Denkens in ganzen Wertschöpfungsnetzwerken – den heute allgegenwärtigen Supply Chains – verschob sich vor etwa 20 Jahren der Blick schrittweise auf die Zusammenarbeit mehrerer rechtlich und wirtschaftlich eigenständiger Unternehmen in der Beschaffung, der Produktion und der Distribution. Die klassischen, bisher auf Einzelunternehmen bezogenen Konzepte wichen im Zug der Globalisierung und der stetig zunehmenden Arbeitsteilung unternehmensübergreifenden und vor allem prozessorientierten Ansätzen.

 

Aktuell stellen sich beim Management von Beständen in Supply Chains viele Fragen neu: Wie können unternehmensübergreifend Bestände optimiert werden? Welche Akteure profitieren von einer solchen Optimierung? Wer übernimmt die Kosten für die Bestände? Und wie kann es gelingen, ein gesamtes Wertschöpfungsnetzwerk resilient zu gestalten?

 

Es ist also an der Zeit, das Bestandsmanagement zumindest in Teilen neu zu denken. Hierbei unterstützt ein jüngst im Versus Verlag erschienener Sammelband, der sowohl akademische als auch praktische Zugänge zur Thematik enthält. Dazu zählen beispielsweise die Handlungsfelder und Methoden des Bestandsmanagements, praktikable Optimierungsmodelle, die um gelebte Konzepte und Fallbeispiele ergänzt wurden, sowie aktuelle Entwicklungstrends, bei denen auch die Störanfälligkeit von Wertschöpfungsnetzwerken im Lichte von Beständen aufgegriffen wird.

 

Literaturhinweis: Stölzle, Wolfgang / Hofmann, Erik / Selensky, Stefan / Germann, Tim (Hrsg.): Management von Beständen in Supply Chains. 2., vollständig überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Versus Verlag. Zürich 2024.

ISBN 978-3-03909-174-4

         

 

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