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Von: Torsten Kollande


Artikel Nummer: 37550

Die wunderbaren Momente

«Das Herrlichste der Welt ist, einen neuen Tag zu sehen..»   Maxim Gorki (1868 - 1936), russischer Erzähler, Revolutionär und Dramatiker


 

Ich habe, glaube ich, eine auf den ersten Blick befremdlich erscheinende Angewohnheit. Manche würden vielleicht sagen: eine Marotte. Egal. Ich trage stets, und das möchte ich an dieser Stelle sehr gern noch einmal wiederholen, stets ein paar getrocknete weisse Bohnen in meinen Hosentaschen. Nun, ich gebe zu, ich gehe mit den Bohnen nicht schlafen. Ich muss mich also dahingehend korrigieren, dass ich die Bohnen nur tagsüber mit mir herumtrage. Verzeihen Sie mir.

 

Tun Sie etwas Ähnliches? Tragen Sie tagtäglich Etwas mit sich oder bei sich? In ihrer Hosen- oder Jackentasche, in einem separaten Täschchen oder verborgen in einem Medaillon? Wohlgemerkt: mir geht es nicht um Preziosen oder irgend welchen Tand. Es geht mir auch nicht um Erinnerungen. Wir wollen ja nicht sentimental werden. Obgleich dem Erinnern durchaus eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit meinen Bohnen zukommt.

 

Übrigens können Sie selbstverständlich auch getrocknete Erbsen statt der Bohnen nehmen. Oder Halbedelsteine. Oder, oder, oder… Nehmen Sie einfach, was Sie wollen. Es kommt doch gar nicht darauf an, was es ist, das wir da in unserer Hosentasche mit uns herumtragen. Auch ist die Anzahl nicht entscheidend. Obgleich, seien Sie versichert, Sie werden mehr und mehr davon brauchen, wenn Sie erst einmal auf den Geschmack gekommen sind.

 

Ich jedenfalls kann ohne meine Bohnen nicht mehr aus dem Haus gehen. Längst haben sie das Smartphone in meiner Gunst abgelöst. Sehen Sie mir den kleinen Seitenhieb auf das 21. Jahrhundert nach. Zweifelsohne bringt die Gegenwart unablässig Gutes hervor. Darüber können andere an anderer Stelle sicherlich besser parlieren als ich. Ich hingegen finde, dass nicht alles sichtbar, messbar, wissenschaftlich fundiert oder gar nach-gewiesen sein muss. Natürlich ist das ganz und gar subjektiv.

 

Erlauben Sie, dass ich mir das erlaube. Und glauben Sie mir, das war nicht immer ganz einfach. Trauen Sie sich. Stehen Sie zu sich. Vertrauen Sie ihrem Gefühl. Denn, vertrauen Sie mir, allein ihr Gefühl ist der Gradmesser für ihr Glück.

 

Haben Sie schon eine Spur? Falsch. Es handelt sich nicht um einen Talisman. Sicher, so ein kleiner Gegenstand, dem quasi durch Geisterhand Glück bringende Eigenschaften zugeschrieben werden ist etwas Wunderbares, für manche von uns etwas Unverzichtbares. Aber wer von uns würde schon öffentlich bekennen, an Hokus-pokus zu glauben. Und glauben Sie mir, meine – Verzeihung – unsere Bohnen haben mit Spökenkiekerei nicht im Geringsten etwas gemein.

 

 «Überall dem Selbstverständlichen zum Wort verhelfen – das ist ein grosses Geheimnis», meint der deutsche Journalist und Schriftsteller Christian Morgenstern (1871–1914). Ja. Das Selbstverständliche!

 

Jede Bohne, die tagsüber von meiner linken in meine rechte Hosentasche wandert, symbolisiert etwas Schönes, das mir begegnet ist. Wenn ich sie am Abend hervorkrame, erscheinen diese wunderbaren Momente wieder vor meinen Augen.

 

Der französische Romanautor und Feuilletonist Marcel Proust (1871 – 1922) schreibt: «Loslassen – setz dich an einen Bach und sei einfach da. Das Lied des Wassers wird deine Sorgen aufnehmen und sie hinab zum Meer tragen.»

    

 

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