News

  • Nach dem Brexit wird ein ähnliches Bild befürchtet.

06.02.2019 Von: Marco Wölfli


Artikel Nummer: 26339

Unruhe vor dem Sturm

Die Logistikbranche des Vereinigten Königreichs stellt sich auf einen harten Brexit ein. Die Stimmung schwankt zwischen Durchhalteparolen und Furcht vor einem Verkehrskollaps im Südosten zwischen Dover und London.


 

Das Brexit-Drama nimmt in Grossbritannien vorerst kein Ende. Die verschiedenen Fronten sind derart verhärtet, dass eine zeitnahe Lösung immer unrealistischer scheint. Somit steigt das Risiko eines harten Brexit, sprich ein ungeregelter Austritt Grossbritanniens aus der EU am 29. März. Die fehlende Lösungsbereitschaft der Politiker in den letzten Wochen löst auch in der Logistikbranche deutliche Reaktionen aus. Robert Keen, Generaldirektor der British International Freight Association (Bifa), sagt: «Die Zeit läuft uns davon. Ich rate unseren Mitgliedern und den Unternehmen, die den britischen Handel abwickeln, sich auf einen harten Brexit einzustellen.»

 

 

Logistiker bügeln Fehler der Politik aus

Falls es soweit kommt, sieht Keen die britischen Spediteure in einer Schlüsselrolle. Insbesondere jene mit AEO-Status könnten sicherstellen, dass Importe und Exporte weiterhin zwischen der Insel und Kontinentaleuropa zirkulierten. «Die Mitglieder der Bifa sind fähig, auf das Chaos, das die Politiker angerichtet haben, zu reagieren», kündigt Keen an. Trotzdem glaubt der Verbandsvertreter weiterhin an eine geordnete Lösung und will sich auch mit der Bifa dafür einsetzen: «Der kontinuierliche Warenfluss der Unternehmen ist das Hauptziel unserer Branche. Wir appellieren deshalb bei den zuständigen Stellen in London und Brüssel, dass ein Szenario eintritt, bei dem die Lieferkette keinen Schaden nimmt.»

 

Die Brexit-Debatten im britischen Parlament sind zwar weiterin im Gange, doch hinter den Kulissen, befasst man sich mit den Auswirkungen eines harten Brexit. Unter dem Namen «Operation Brock» will die britische Regierung bis zu 30 Mio. GBP für das Verkehrsmanagement aufwerfen, um die Auswirkungen des Brexit auf die Logistikbranche abzufedern. Im Fokus steht vor allem die Autobahn M20 zwischen Dover und London, auf der täglich Tausende Lkw unterwegs sind. 17% des britischen Handels werden über den Hafen am Ärmelkanal abgewickelt. «Die Unterstützung der Regierung ist natürlich willkommen, möglicherweise reicht die Zeit aber nicht mehr, um wirksame Massnahmen zu erreichen», sagt Heidi Skinner von der Freight Transport Association.

 

Im Januar fand eine Testfahrt mit 89 Lkw vom ehemaligen Flughafen Manston zum 32 km entfernten Hafen Dover statt. Das Flughafengelände könnte als Rückhalteort für Lkw dienen. Allerdings ist ein Konvoi von 89 Lkw kaum ein wirksamer Test, da täglich 10 000 Lkw den Hafen Dover frequentieren.

 

 

Die Warenlager sind voll

Eine Folge der grassierenden Unsicherheit ist eine hohe Nachfrage nach Warenlagern im Südosten Englands. Dies bereitet Peter Ward, CEO der United Kingdom Warehousing Association einige Sorgenfalten: «Wenn die Lieferketten nicht mehr funktionieren, braucht es mehr Warenlager. Allerdings gibt es bereits jetzt einen Mangel und in der Pipeline sind zu wenige Projekte.» Der Verband führte Ende 2018 eine Umfrage bei seinen Mitgliedern durch, die deutliche Resultate hervorbrachte. 85% der Befragten verzeichneten Anfragen für Lagerfläche wegen des Brexit. 75% konnten auch tatsächlich Platz anbieten, allerdings ist dieser nun weg und die Lager sind nahezu voll. Es sind ungemütliche Aussichten für den Logistiksektor in Grossbritannien.            

 

 

Mehr zum Thema