
Potenzial ausschöpfen
In Indien, dass auf seinen Verkehrswegen viele Engpässe kennt, hat die Binnenschifffahrt nicht die Bedeutung, die sie haben könnte. Der «National Waterways Act», der im April 2016 in Kraft getreten ist, soll hier ein neues Kapitel aufschlagen.
Das Szenario gleicht einem Déjà-vu und hat im August einen neuen Höhepunkt erreicht: diesmal war es mit Jawaharlal Nehru Port, ehem. Nhava Sheva, der grösste Containerhafen Indiens bei Mumbai, der im Umschlag von Stockungen betroffen war. Ob nun die Politik der privaten Terminals verantwortlich ist, wie der Hafen sagt, oder die mangelhafte Umfuhr, wie die Verlader klagen – Fakt ist, dass die Kapazitäten im Hinterland fehlen.
Nach Experten wie Alistair Mackie von der Sozietät Holman Fenwick Willan, läuft das derzeit am schnellsten wachsende grosse Schwellenland, das im ersten Quartal 2016 um 7,9% zulegte, weit unter seinem Handelspotenzial. Zusätzlich sind weiterhin Umschlag- und Abwicklungszeiten für einen Container von bis zu 19 Tagen möglich. Die indische Regierung hat deswegen Massnahmen eingeleitet, um den intermodalen Verkehr im Land fortzuentwickeln.
Verkehrsträger im Abseits?
Mit ihren klassischen Vorteilen als kosten- und treibstoffeffizienter sowie umweltfreundlicher Verkehrsträger ist die Binnenschiffahrt zwar auch in Indien in aller Munde. Bislang aber stand der Verkehrsträger doch im Schatten der anderen, wie es selbst im Text des neuen indischen Gesetz zu den Wasserstrassen heisst: «Da die Binnenschiffahrt bislang hinter Strasse und Schiene zurückstand, hat die Zentralregierung eine Politik der integrierten Förderung entwickelt.» Das neue Gesetz ist nun im April 2016 in Kraft getreten.
Konkret bedeutet dies unter anderem, dass der indische Bund 106 inländische Wasserwege zusätzlich zu «nationalen» erklärt hat. Auf diese Weise ist eine stärkere finanzielle Beteiligung der indischen Zentralregierung bei allfälligen Massnahmen für die Infrastruktur möglich.
Gegenwart und Zukunft
Von den geschätzten 14 500 km an indischen Wasserwegen gehen mit dem neuen Status etwa 4500 km in nationale Obhut über. Staatlicher Einsatz für den Unterhalt, der z.B. in den USA u.a. durch Ingenieure der Streitkräfte wahrgenommen wird, ist auch hier unabdingbar, denn die stetige Verschlammung erfordert eine laufende Ausbaggerung. Da das Netzwerk teilweise nur saisonal schiffbar ist, bewegen sich derzeit maximal 1000 Binnenschiffe auf dien Wasserstrassen.
Mit der Finanzierung steht und fällt das Programm. Die Zentralregierung will, dass sich die Regionalstaaten Indiens im Einzugsgebiet mit jeweils 26% an den Kosten beteiligen. Bislang gibt es dazu von dieser Seite kein einziges Plazet. Mit Unterstützung der Weltbank hingegen haben die Arbeiten zur Kapazitätserweiterung auf der 1600 km langen Wasserstrasse zwischen Varanasi und Haldia im westlichen Bengalen begonnen. Eine Machbarkeitsstudie, die das Projekt eines multimodalen Terminals in Ramnagar am Ganges auf einer Fläche von 5586 ha definiert, wurde im Mai 2016 vorgelegt. Es bleibt zu hoffen, dass das kein Tropfen auf dem heissen Stein bleibt.