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  • Kirsten de Bruijn berichtet, worauf es bei besonderen Transportprojekten in ungewöhnlichen Zeiten ankommt.

Von: Andreas Haug


Artikel Nummer: 36902

Zum richtigen Zeitpunkt

Zweibeiner fliegen derzeit eher selten. Auf dem Flughafen von Doha mussten manche kürzlich sogar einen Umweg über den Frachtterminal nehmen. Was sonst noch nötig war, um Löwen, die bisher in Käfigen eingesperrt waren, in die Halbwildnis eines südafrikanischen Naturschutzgebiets zu bringen, und weitere Aussichten für die Luftfracht besprach Kirsten de Bruijn mit ITJ-Redaktor Andreas Haug.




Frau de Bruijn, nach elf Jahren bei Air France KLM Martinair Cargo und Emirates Skycargo sind Sie letzten September bei Qatar Airways Cargo gelandet – gerade rechtzeitig, um das jüngste Projekt der «WeQare»-Initiative von Beginn an zu begleiten. Um was geht es genau?
Vor einem Jahr hat Qatar Airways Cargo «WeQare» gestartet, das punktuelle Aktivitäten mit nachhaltigem Charakter einen Rahmen gibt. Chapter 1 hat den humanitären Teil abgedeckt, was wegen der Covid-19-Pandemie ja perfekt passt. Besonders beeindruckend war kürzlich der gleichzeitige Abflug von drei unserer Frachtmaschinen, die Hilfsmaterial kostenlos von Doha nach Bengaluru, Mumbai und Neu-Delhi transportiert haben. Einen ähnlichen Konvoi hatte die Flug­linie bereits im Februar 2020 nach Beijing, Guang­zhou und Schanghai geschickt [vgl. ITJ Daily, 25/02/20].
Für Chapter 2 sollte es um Tiere gehen. Das Tierwohl liegt vielen Menschen in Katar am Herzen. Während wir noch überlegten, was «Rewild the Planet» [vgl. ITJ 13-14/2021, S. 6] bedeuten könnte, erhielt Frachtchef Guillaume Halleux im Oktober eine E-Mail von Lionel De Lange, dem Gründer und Direktor von Warriors of Wildlife (WOW), einer NGO, die sich für das Wohl von Tieren in der Ukraine starkmacht. Konkretes Anliegen war jetzt, sieben Löwen, die von privaten Besitzern gehalten wurden, in eine art­gerechtere Umgebung zu bringen.

 



Was war dafür nötig?
Wir haben ein grosses und grossartiges Team in Bewegung gesetzt – über 50 Mitarbeiter aus mehr als einem Dutzend Abteilungen. Nur so konnten wir innerhalb von sechs Monaten zu einem erfolgreichen Abschluss kommen. Da galt es, die behördlichen Genehmigungen in der Ukraine zu besorgen und den operationellen Ablauf dreimal anzupassen, damit die Verbindung von Kiew über Doha nach Johannesburg nahtlos funktionierte.

 



Welche Rolle hat das Netzwerk der Fluglinie bei diesem Projekt gespielt?
Zunächst haben wir einen unserer «Passagierfrachter» von Westeuropa nach Kiew umgeleitet, der die Grosskatzen und ihre Pfleger für die 5,5-stündigen erste Etappe im Unterdeck aufnahm. In Doha, wo unser Personal zusätzlich auf die Gepflogenheiten des Ramadan achten musste, wohingegen die Löwen mit je 30 kg Rohfleisch versorgt wurden, erfolgte die Umladung auf eine A350 im regulären Passagierdienst. Um Zeit und den Tieren Stress zu ersparen, wurde dieses Flugzeug aber ausnahmsweise an unserem Fachtterminal für den Weiterflug vorbereitet. Dort transitieren immer wieder ganz besondere Tiere wie Schlangen oder Nashörner, aber Löwen sind halt nochmals etwas anderes.

 



Lassen sich die Kosten eines solchen Projekts eigentlich irgendwie beziffern?
Wir möchten natürlich keine Details nennen, die Rückschlüsse auf unsere Preisgestaltung geben könnten. Aber dank der Kombination unseres Flug­materials haben wir den wirtschaftlichsten Weg gefunden. Der Passagierfrachter von Kiew nach Doha nahm drei ULD-Positionen ein, auf der A350 nach Johannesburg waren es acht. Die Teams waren ausserordentlich engagiert bei der Sache, und ihre Zusammenarbeit hat mich beeindruckt.

 



Wie geht es jetzt weiter?
Die Löwen sind nach einer zwölfstündigen Lkw-Fahrt in die Nähe von Port Elizabeth wohlbehalten angekommen und erkunden jetzt ihre neue Freiheit. Wir bei Qatar Airways Cargo sind uns unserer Verantwortung für die Welt bewusst, arbeiten mit weiteren NGO’s und können in Kürze die nächste Aktion von Chapter 2 ankündigen.

 



Wie steht es um die Pandemie?
Wir sind sehr aktiv und haben bis Mitte Mai mehr als 27 Mio. Impfstoffdosen in 29 Länder geliefert. Im Rahmen der Covax-Initative waren es zusätzlich 9 Mio. Dosen in 14 Länder. Unser Betrieb wurde kaum gebremst, aber wir dürfen uns auch glücklich schätzen, da bereits 70% der Einwohner Katars und 93% unserer Angestellten geimpft sind.

 



Und die weiteren Geschäftsaussichten?
2021 bleibt ein starkes Jahr für die Luftfracht. E-Commerce wird den Bedarf an Mini-Frachtern aufrechterhalten. Und dann freuen wir uns auf die Möglichkeiten, die im Zusammenhang mit der Fussball-WM 2022 entstehen.   


 

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